"Eins der besten Instrumente, die wir haben!“

Hanfplantage in Südtirol

Für den Baubiologen Werner Schönthaler ist Hanf mit keinem anderen Material vergleichbar. Seine positiven Eigenschaften existieren seit Langem, nun rücken sie nach und nach ins Bewusstsein der Baubranche.

Hanf als Baustoff ist nahezu unbekannt – was macht das Material so interessant für die Architektur?

Hanfkalk ist nach wie vor nahezu unbekannt, weil es über Jahrzehnte in der Bundesrepublik Deutschland verboten war. Erst 1996 wurde das Verbot aufgehoben, teilweise blieb der Ruf allerdings weiterhin schlecht. Zu Unrecht: Für die Architektur ist Hanf extrem interessant, weil er uns erlaubt, Häuser ohne Dämmung und mit einer guten Raumluft zu bauen – und vor allem Häuser, die wir später komplett wiederverwerten können. In Anbetracht der Tatsache, dass die Baubranche etwa 50 Prozent der Abfälle und 40 Prozent der CO²-Emissionen generiert, ist das eine geniale Antwort auf viele Problematiken.

Hanfziegel
Bauen mit dem Werkstoff Hanf

Wie verarbeitet man das Material und was wird dadurch ersetzt? Wo liegt sein Einsatzgebiet?

Vermauert wird es ganz konventionell mit Kalkmörtel, verputzt auch mit Kalk. Dies macht die Besonderheit aus, denn der Wandaufbau besteht nur aus Hanf und Kalk und lässt sich relativ einfach wiederverwerten. Im Neubau wird er für Außen- und Innenwände verwendet, bei Sanierungen hauptsächlich zur Innendämmung.

Wie vielseitig lässt er sich verwenden?

Hanfkalk gibt es auch als Hanfkalk-Putzsystem, als Schüttung für Dachdämmung und losen Hanfkalk für Wände.

Bauen mit Hanfsteinen in Südtirol

Hanf wurde als Kalkmörtel schon im Mittelalter verwendet – warum erfährt er erst jetzt eine Renaissance?

Kalk ist generell eines der ältesten Bindemittel überhaupt. Hanf wurde früher oft beigefügt, um eine dämmende Wirkung zu erreichen. So ein Hanfkalk erfährt hauptsächlich dadurch eine Renaissance, weil man gelernt hat, dass Zement- und Harzputz zwar richtig hart werden, aber nicht langlebig sind. Die Langlebigkeit garantiert uns der Kalk, was sehr schön das Kolosseum in Rom und die Chinesische Mauer veranschaulichen.

Ökologische Aspekte werden immer wichtiger bei Baustoffen – wie nachhaltig ist Hanf?

Hanf ist vom Aspekt der Nachhaltigkeit her eins der besten Instrumente, die wir momentan haben. Er wird gesät, um Lebensmittel zu ernten, aus dem daraus entstehenden Abfall lassen sich wertvolles Papier, die stärkste Pflanzenfaser als Textilie und eben Hanfsteine produzieren. Auch ist er mehr als interessant für Länder in der dritten Welt, wo hauptsächlich die Grundbedürfnisse Essen, Bekleiden und Wohnen entscheidend sind.

Wie stark ist seine Dämmwirkung und damit seine Energieeffizienz?

Hanfsteine haben einen Lambdawert von 0,07, was uns ermöglicht, ein KW55 Haus mit 38 cm Außenwand ohne zusätzliche Dämmung zu bauen.

Wand aus Hanfsteinen im Bad

Wie teuer ist sein Einsatz im Gegensatz zu herkömmlichen Materialien?

Ein Hanfhaus kostet momentan noch etwa 10 bis 15 Prozent mehr als ein Polystyrol-Haus, es ist aber günstiger als ein Vollholzhaus. Der Preis liegt im baubiologischen Mittel, kann man sagen.

Vor allem die Badarchitektur erfordert Baustoffe, die starker Luftfeuchtigkeit standhalten – wie lässt sich Hanf hier einsetzen?

Aufgrund des Kalkes und des hohen PH-Wertes können Hanfsteine sehr gut mit Luftfeuchtigkeit umgehen. Durch den hohen Wasseraufnahmekoeffizienten können sie überschüssige Feuchtigkeit aufnehmen und später langsam wieder abgeben. Im Bad hat dies den konkreten Vorteil, dass Spiegel und Fenster nicht so schnell beschlagen, und man sich behaglicher fühlt. Auch hat Schimmel so keinen Nährboden.

Muss Hanf an sehr feuchten Stellen wie Dusche und Wanne zuvor imprägniert werden?

Es muss im Spritzwasserbereich beschichtet oder verfliest werden, womit die Hauptanwendung außerhalb des Spritzwasserbereiches stattfindet. In der Duschkabine – wo man ohnehin konventionelle Baustoffe wie Fliesen oder wasserdichte Putze verwenden muss, macht es mehr Sinn, Backsteine oder Ytong zu verwenden. Außerhalb des Spritzwasserbereiche können Hanfsteine jedoch mit ihren regulierenden Eigenschaften Punkten.

In ihrer Firma in Südtirol stellen Sie Hanfziegel selbst her. Wie kamen Sie zur Leidenschaft Hanf?

Die Leidenschaft resultiert aus der klaren Erkenntnis, dass wir in der Baubranche einer der großen Hauptakteure in Sachen Klimawandel sind – und dass wir eine Verantwortung gegenüber den nächsten Generationen tragen. Die bestmögliche Antwort darauf fand ich im Hanf. Eine gesundheitliche Krise, beziehungsweise ein schwerer Bergunfall, löste es dann definitiv aus.

Schallabsorptionsplatten aus Hanf

Was lässt sich noch daraus machen?

Als Textilie ist Hanf extrem interessant, da arbeiten wir seit ein paar Jahren mit der Firma Salewa zusammen. Sehr interessant ist Hanfkalk auch als Schallabsorptionsplatte – das Material haben wir mit einer Industriedesignerin aus Tel Aviv entwickelt. Funktional ist es von Natur aus, und auch brandsicher. Aber sie hat es im Prinzip härter und schöner gemacht.

Infos zu Hanf

Hanf wächst in fast jedem Breitengrad innerhalb von nur vier Monaten vom feinen Samen bis zu einigen Metern hohen Pflanze heran, ohne die Notwendigkeit von übermäßiger Bewässerung wie etwa bei Baumwolle, Pestiziden, Unkrautvertilgungsmittel oder Dünger. Nutzhanf ist eine ideale Wechselfrucht und regeneriert den Boden: Er macht ihn durch seine tiefe Verwurzelung nahrhaft, lockert ihn auf, zieht wertvolle Mineralien und Nährstoffe aus den untersten Bodenschichten heraus und wirkt dadurch einer Auslaugung entgegen. Außerdem ist Hanf im Stande, eine große Menge an CO2 aus der Atmosphäre zu binden und in sein Holz einzuschließen. 330 kg pro Tonne Trockenmaterial.

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