Raus aus dem White Cube Galerien denken das Raumkonzept neu

Raus aus dem White Cube

Seit den 20er Jahren diktiert der rein weiße Raum die Galerien. White Cube genannt, soll er so neutral wie möglich bleiben, damit die Architektur vollständig in den Hintergrund treten kann und allein die Kunst wirkt. Das ändert sich schon eine Weile, hat aber insbesondere in den letzten Jahren neue Formen angenommen – von Galeriekonzepten ganz ohne festen Ort bis hin zu Räumen, die wie Ateliers den kompletten künstlerischen Prozess abbilden sollen.

Ein Gastbeitrag von Jörg Heikhaus aka Alex Diamond.

Die Galeristinnen Johanna Neuschäffer und Anne Schwanz haben im Jahr 2018 gemeinsam OFFICE IMPART gegründet, um nach ihren Erfahrungen bei großen, etablierten Galerien noch einmal neu über das Prinzip Galerie im Allgemeinen nachzudenken. „Für uns ist es wichtig, die klassischen Strukturen von Galerien zu erweitern und in Bezug zum globalen und digitalen Wandel zu setzen,“ erklärt Anne Schwanz. „Dazu gehört, dass wir an Netzwerke und Kooperationen glauben und auch das flexible räumliche Arbeiten für uns selbstverständlich ist. Und das heißt dann eben auch, dass wir unsere Ausstellungen nicht im eigenen Galerieraum zeigen, sondern dafür Orte und Möglichkeiten suchen und finden.“

Es ist natürlich eine Herausforderung, ständig neue Plätze zu bespielen oft kurzfristig den Bedingungen der Räumlichkeiten anzupassen, aber diese Veränderungen machen für Johanna Neuschäffer und Anne Schwanz auch einen Teil des Reizes aus, denn „so bleiben wir in Bewegung und sind ständig mit Veränderungen konfrontiert.“

Wert legen die beiden Galeristinnen dabei aber auch darauf, dass es sich nicht allein um das in Frage stellen des klassischen Galerieraums dreht, sondern auch wie man Kunst in unserer technologisch fortgeschrittenen Zeit präsentiert: „OFFICE IMPART versteht sich als ein dynamisches Konstrukt und vermittelt Kunst und Inhalte, die sich in unterschiedlichen Formaten und Räumen, sowohl analog als auch digital, manifestieren,“ betont Anne Schwanz auf Anfrage.

Damit sind sie inzwischen nicht mehr allein, aber doch schon so etwas wie Vorreiterinnen einer neuen Bewegung in der Galerienlandschaft von heute: „Viele Galerien öffnen ihre Strukturen mehr und mehr und die Tendenz neue Wege auszuprobieren ist deutlich zu spüren. Für uns ist es selbstverständlich, dass die Strukturen immer weiter aufbrechen, denn ohne Veränderungen gibt es keine Entwicklung. Daher glauben wir, dass auch unser Modell kein finales ist.“

Eine viel diskutierte Idee, insbesondere natürlich in Zeiten steigender Mieten und bröckelnder Kunstverkäufe, ist es auch, sich Ausstellungsräume mit Kollegen zu teilen. Anne Schwanz: „Wenn man da den richtigen Partner findet, kann das sehr gut funktionieren.“

Raus aus dem White Cube
Raus aus dem White Cube

Kooperationen sind natürlich auch auf anderer, künstlerischer Ebene denkbar. Unsere eigene Galerie heliumcowboy, die wir zur Gründung schon immer lieber „artspace“ genannt haben, weil sie eben aus meinem Künstleratelier heraus entstanden ist, hat sich in den letzten Jahren noch viel mehr in einen Ort verwandelt, in dem Kunst eben nicht nur gezeigt wird, sondern auch öffentlich entsteht.

Dazu haben wir die Galerie ab Ende 2017 teilweise mit altem, patinierten Stadelholz umgebaut, ganz White Cube-untypisch mit Saloon-Tresen und Atelierbereich mit Holzwänden und großem Arbeitstisch, an dem nicht nur meine Kunst, sondern auch der Podcast heliumTALK entsteht. Nachdem die Jahre davor lange Zeit mein Künstleratelier getrennt und versteckt in einem Hinterzimmer lag, so ist es nun wieder zurück in den Ausstellungsraum gezogen und auch bei Vernissagen präsent.

In einem nächsten Schritt gehen wir jetzt aber noch weiter. Bislang integrierten wir auch die Atelierwände in die jeweilige Ausstellung und hängten dort Werke der aktuell präsentierten Künstler auf. Doch nun wird dieser Teil vollständig zu einem zwar nach wie vor offen zugänglichem, doch inhaltlich geschlossenem Raum im Raum, der ausschließlich von mir als Atelier genutzt wird. Der Rest der Galerie bleibt weiterhin Ausstellungsfläche, die dann vornehmlich vom Jung-Galeristen Melvin Heikhaus bespielt wird. Das bedeutet aber auch, dass die alltägliche Studioarbeit sichtbar bleibt und hier selbst zu den Vernissagen ein aktives Künstleratelier erlebbar ist.

Eine der weltweit führenden Galerien Lehmann Maupin mit Standorten in New York, Hong Kong und Seoul, hat in diesem Sommer neue Räumlichkeiten in London bezogen – mit einem ähnlichen Konzept: Hier sollen Künstler die Räume eine Zeit lang wie bei einer Residency nutzen und Kunst vor Ort erschaffen. Den Beginn macht der englische Maler, Autor und Filmemacher Billy Childish, der während seines Arbeitsaufenthaltes bei Lehmann Maupin auch die Öffentlichkeit an seinem Prozessen teilhaben lässt, indem sie ihn bei der Arbeit besuchen können.

Die Anforderungen an den Ausstellungsraum haben sich geändert – mit unterschiedlichen Konzepten und Umsetzungen, aber weithin spürbar in einer Branche, die lange an traditionellem Denken in Bezug auf die Sterilität der Galeriefläche festgehalten hat.

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