Ein Laufsteg für die Kunst Die Galeristin Kristin Hjellegjerde

Ausstellungsansicht „Where the Wild Roses Grow“ im Schloss Görne mit Arbeiten von Charlies Stein, Sarah Maple, Luke Agada, Yan XinZhu and Sinta Tantra. (© Eva Dittrich)

Die Galeristin Kristin Hjellegjerde über die Bedeutung besonderer Ausstellungsorte.

Autor: Jörg Heikhaus aka Alex Diamond

Vor 12 Jahren hat sie begonnen, den Galeriemarkt aufzuwirbeln: Kristin Hjellegjerde aus Norwegen hat mit einem außergewöhnlichen Mix von etablierten Künstlerinnen und jungen Newcomerinnen und Newcomern eine Galerie mit einer enormen Bandbreite aufgestellt, die an unterschiedlichen Orten unterschiedliche Ausstellungskonzepte umsetzt. Inzwischen hat sie Galerien in London, Berlin und Palm Beach eröffnet und bespielt darüber hinaus auch temporäre Plätze wie ein altes, sich mitten in der Restaurierung befindliches Schloss in Görne (Brandenburg) oder die ehemalige Krabbenfabrik in Nevlunghavn (Norwegen) mit ausgefallenen Ausstellungen.

„Ich finde es aufregend und inspirierend, Kunst an ungewöhnlichen Orten auszustellen, die keine White Cubes sind“, erzählt Kristin Hjellegjerde. „Es schafft eine neue Dimension für die Kunst und eine besondere Nähe und Intimität, die den Betrachtenden helfen, über die Bedeutung des Werks nachzudenken. Die Herausforderung, dass nicht alles perfekt ist, bereichert sowohl die Besuchenden als auch mich und gibt Raum für neue Möglichkeiten, wie eine Ausstellung aussehen kann.“

Dabei ist es ihr wichtig, dass die Künstlerinnen und Künstler sich auf die jeweiligen Standorte bei der Entwicklung ihrer Ausstellungen einlassen. Darüber hinaus gibt sie nur wenige Vorgaben: „Ich bin sehr flexibel, wenn ich mit den Künstlerinnen und Künstlern über ihre Ausstellungen rede, denn letztlich geht es mir um ihre Visionen. Die einzige Grenze oder Einschränkung, die ich vorgebe, ist der Raum selbst, was sich vor allem auf die Größe der Werke auswirkt. Ich spreche mit ihnen über Titel und Themen und bei einer Gruppenausstellung teile ich ihnen das kuratorische Konzept mit, ohne jedoch ins Detail zu gehen, um Platz für Überraschungen zu lassen.“

Immer wieder aber auch entstehen ganz spezifische Werke, wie zum Beispiel im Schloss Görne, wo die Künstlerin Eva Dittrich 2023 die Baugerüste mit wehenden Vorhängen überzog und so einen Bezug zwischen dem Garten und den Innenräumen schuf: „Ein echtes Schauspiel aus Licht und Wind!“, sieht Kristin Hjellegjerde darin, ein ganz besonderes Highlight der sommerlichen Gruppenausstellung „Where the Wild Roses Grow“, das nur genau an diesem Ort so spielerisch funktionieren konnte.

„Ein anderes Beispiel ist Ken Nwadiogbu,“ erzählt sie, „der in „I belong here“, seiner ersten Einzelausstellung in Deutschland im Juni 2024 in Berlin, große Mengen bemalter Pappkartons stapelte und mit ihnen den Raum mit skulpturalen Kompositionen strukturierte, die im Dialog mit seinen Gemälden stehen.“

Im vergangenen Jahr hat die Galeristin, die nie still zu stehen scheint und eine unglaubliche Energie ausstrahlt, in West Palm Beach in Florida eine große Galerie nach ihren eigenen Plänen eröffnet:

Blick in die Ausstellung "As Water Never Touched" in West Palm Beach 2023-2024. (© Nengi Omuku)

„Dieser Ort ist für mich wie ein wahr gewordener Traum. Die Galerie hat eine großartige Raumaufteilung, höhere Decken, fast wie eine Kathedrale. Als Galeristin gibt mir dieser Ort das Gefühl, dass ich es geschafft habe, obwohl ich noch am Anfang meiner Reise stehe. Der Raum lädt zum Verweilen ein. Er lässt so viel Luft, dass jedes Werk für sich allein bewundert werden kann, aber mit ein paar Schritten zurück als Ganzes mit den anderen Werken wirkt. Wir haben die Galerie so gestaltet, dass jedes Kunstwerk in der bestmöglichen Perspektive zu sehen ist.“

Mit ihrer langjährigen Erfahrung als Galeristin konnte sie gezielt Einfluss nehmen und die Räumlichkeiten nach ihren eigenen Bedürfnissen gestalten. „Ich bin in den gesamten Prozess involviert, da es mir wichtig ist, den Raum optimal zu nutzen, insbesondere die Wandflächen,“ bemerkt sie. „Das wirft so viele interessante Fragen auf: Wie werden die Wände positioniert? Wie werden die Ecken kreiert? Wo werden die Fenster platziert, damit sie das Kunstwerk nicht stören, sondern es atmen lassen?“. Dabei tauchen ortsspezifisch auch immer andere Herausforderungen auf: „In West Palm Beach habe ich mir hohe Fenster gewünscht. Ich hatte nicht geahnt, wie kompliziert es werden würde, da sie in Florida auch hurrikansicher sein müssen.“

Das Lager der Galerie befindet sich ungewöhnlicherweise in der Mitte des Saals und schafft so einen Bruch zwischen Hauptausstellung und kleineren Salonräumen, wo sie meist ihren jüngeren oder von ihr neu entdeckten Künstlerinnen und Künstlern ihre ersten Schritte auf dem großen Kunstparkett ermöglicht. Kristin Hjellegjerde: „Wenn man als Betrachtender einen Bereich verlässt, innehält und in den nächsten geht, ohne genau zu wissen, was einen erwartet, verleiht das der Ausstellung eine gewisse Dramatik. Diese Raumaufteilung ermöglichte es uns auch, eine gerade Linie zu ziehen, die von der Vorderseite bis zum Ende des Raums reicht, wie ein Laufsteg. Das lässt den Raum größer erscheinen und man hat das Gefühl, dass man atmen kann.“

Ihr neuestes Projekt ist der komplette Umbau ihrer ersten Galerie an der London Bridge. Hier entsteht nicht nur ein weiterer Ausstellungsraum nach der Vision der Galeristin, sondern gleich ein komplettes Kunsthaus: „Wir werden bewegliche Wände im Ausstellungsraum haben sowie schlanke Fenster auf einer Seite. Das Ende unserer Fläche schließen wir mit unseren Büros ab. Im Untergeschoss gibt es dann noch weitere Ausstellungsräume und ein Lager. Die Apartments über der Galerie werden von “Curated London Residences“ sein, in denen wir ebenfalls Kunstwerke ausstellen werden, mit der Möglichkeit, die Hängung jederzeit zu ändern. Dies versorgt die Besuchenden mit immer neuen Positionen unserer Künstlerinnen und Künstler, zusätzlich zu den wechselnden Einzel- und Gruppenausstellungen.“

Was einmal mehr zeigt, wie engagiert die Galeristin Kristin Hjellegjerde der Welt die Kunst von heute nahebringt, sondern auch Orte schafft, die ihren Künstlerinnen und Künstlern und Besuchenden neue Perspektiven ermöglicht.

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