Der magische Moment

Jens Rausch: Aufklärung (2022) – Öl, Erde, Kalk und Bitumen auf Leinwand, 90 x 100 cm

Der Maler Jens Rausch malt die Welt aus der Vogelperspektive 

Ein Gastbeitrag von Jörg Heikhaus aka Alex Diamond.

In den vergangenen Jahren hat der Künstler Jens Rausch aus einem ganz besonderen Blickwinkel heraus und mit einem ungewöhnlichen Prozess vor allem Berge, Wälder und Felder in Szene gesetzt. Meist auf Leinwand schuf er Naturbilder, die beim Betrachter andere Gedankengänge anregen, als dass es die traditionelle Landschaftsmalerei vermag – denn seine Arbeiten lichten Natur nicht nur ab sondern bestehen auch aus Materialien, die aus der Natur geschöpft sind: Bergzüge entstehen mit Kupferoxid, Kalk oder Grafit, in seinen Sonnenblumen sind die Kerne der Pflanze verarbeitet, und bei seinen Waldansichten treffen Asche, Bitumen und Eisenoxyd auf Ölfarbe.

In seiner aktuellen Werkserie „Miles“ blickt er nun aus der Vogelperspektive auf die Welt – und lässt diesmal auch Siedlungen und Städte nicht aus. Da lag es nahe, ihm für diesen Beitrag für „Raum für Inspiration“ ein paar Fragen zu stellen und herauszufinden, ob er als „Landschaftsmaler“ auch einen Bezug zur Architektur hat.

Jens Rausch im Atelier (© Julia Schwendner)

In deiner aktuellen Werkserie beschäftigst Du Dich mit Landschaften, die wie Luftaufnahmen wirken. Woher kommt der Fokus auf diese Perspektive?

Jens Rausch: „Es gibt diesen magischen Moment, aus einem Flugzeugfenster zu blicken und all die feinen Strukturen und Verkrustungen der Oberflächen zu entdecken. Malerei schafft es, diesen Moment des 'Begreifen wollens' einzufangen und hat zudem seine ganz eigene Selbstwirklichkeit, die diesem magischen Moment doch recht nahekommen kann.

Es ist ein sehr zeitgenössischer Blick auf unsere Welt, denn Fliegen ist so allgemein geworden, dass sich damit auch der Blick auf unsere Welt verändert hat. Die neue Werkserie visualisiert dies in Teilen und auf seine ganz eigene Art und Weise. Der Mensch erscheint nicht, aber seine Spuren: Schürfungen, Siedlungen, Grenzziehungen – also die Infrastruktur.“

Vernissage Jens Rausch „Miles“ bei heliumcowboy (© Nicolas Wendler)

Wie unterschiedlich ist die künstlerische Herangehensweise von z.B. deinen Bergwelten oder Feldern im Vergleich zu den – ja auch urbanen – Ansichten von oben?

Jens Rausch: „Ganz erstaunlich war es, wie sich selbst im Atelierkontext die Natürlichkeit und ein menschengemachtes Einwirken gegenüberstehen können. Das Generieren von Zufälligkeit durch die jeweilig materiellen Eigenschaften und physikalische Kräfte hat hier selbstredend seinen natürlichen Ursprung, auf den ich nur wenig Einfluss haben kann. Dennoch habe ich auf all die Prozesse künstlerisch immer wieder reagiert. Es entstand demnach also ein gewisser Dialog zwischen Natürlichkeit und menschengemachtem Einwirken.

Erst im Nachhinein wurde mir klar, dass mein künstlerisches (also menschengemachtes) Einwirken nicht nur schöpferische, sondern eher destruktive Momente hatte: Wenn es zum Beispiel darum geht mit scharfen Werkzeugen Grenzen in das noch weiche Material zu ziehen, oder mit einem Spachtel ganze Flächen wieder abzuschürfen...

Am komplexesten zeigt sich das Zusammenspiel von Natürlichkeit und künstlerischem Einwirken wohl im Visualisieren der Wolken, die sowohl natürlich als auch rein malerisch entstanden. Sie geben den Werken im Grunde genommen erst die gewisse Bildtiefe und Assoziationskraft. Dabei bleibt natürlich offen, ob diese Weißflächen von Brandrodungen oder Emissionen zeugen oder schlicht natürliche Wolkenformationen visualisieren.“

Jens Rausch: Hitzefelder (2022) – Öl, Kalk, Gips, Ruß, Bitumen und Feuer auf Leinwand, 70 x 90 cm

Du malst fast ausschließlich die Natur. Übt Architektur keine Faszination für Dich als Künstler aus, und wenn ja woran liegt das?

Jens Rausch: „Ich liebe Architektur! Ich finde es ausgesprochen spannend zu sehen, wie der Mensch seinen eigenen Raum kreiert. Die als 'modern' bezeichnete Architektur erweist sich meines Erachtens jedoch als das zumeist komplette Gegenteil, die zudem nicht wirklich gut altert. Stahl- und Glaskonstruktionen haben zumeist nichts organisches. Sie wirken oft ausgesprochen kalt, abweisend, sachlich und vor allem aber extrem lieblos und beliebig.

Jens Rausch: Grenzland (2022) – Erden, Sand, Kalk, Ruß und Bitumen auf Leinwand, 70 x 90 cm
Jens Rausch: Grenzgebiet (2022) – Öl, Kalk, Gips Erden und Bitumen auf Leinwand, 90 x 100 cm

Abgesehen vom Bauhaus, das ich eher als ein tief durchdrungenes künstlerisches Konstrukt erachte, mangelt es heute oft an einem durchdachten Zusammenspiel zwischen den gewählten – und vor allem aufeinander abgestimmten – Materialien. Zwischen der menschlichen Proportion, einer Nachhaltigkeit und dem Wunsch nach einer 'für die Ewigkeit gemachten' schönen Architektur von Alltags- und Zweckbauten als Art komplexes Gefüge.“

Ein Künstleratelier ist ja meist auch ein besonderer Ort, der auch Einfluss durch die baulichen Umstände nimmt. Dein Atelier ist verzweigt und relativ niedrig, wirkt sich das auf Deine Arbeit aus?

Jens Rausch: Derzeit arbeite ich im Keller eines um 1880 erbauten Gebäudes. Mit seinen vielen Nischen, Vorsprüngen und der besonderen Raumaufteilung hat dieser ausgesprochen viel Charme: Über Generationen hinweg nagte hier der Zahn der Zeit und hat so seine Spuren an den Wänden hinterlassen. Manchmal ja als 'Ruinenchic' bezeichnet, hat dies sicherlich auch Auswirkungen auf meine Arbeit: Das zerbröselnde Ziegelgesteinmehl fand teilweise auch materiellen Eingang in meiner neuen Werkserie MILES, es wurde als zermahlenes Pigment zur abstrakt-malerischen Siedlungsfläche. Gleichsam hatten die Farbabplatzungen an den Wänden und Verkrustungen auf dem alten Kellerboden sicherlich auch einen unbewussten Einfluss auf und in mein Werk Derzeit arbeite ich im Keller eines um 1880 erbauten Gebäudes. Mit seinen vielen Nischen, Vorsprüngen und der besonderen Raumaufteilung hat dieser ausgesprochen viel Charme: Über Generationen hinweg nagte hier der Zahn der Zeit und hat so seine Spuren an den Wänden hinterlassen. Manchmal ja als 'Ruinenchic' bezeichnet, hat dies sicherlich auch Auswirkungen auf meine Arbeit: Das zerbröselnde Ziegelgesteinmehl fand teilweise auch materiellen Eingang in meiner neuen Werkserie MILES, es wurde als zermahlenes Pigment zur abstrakt-malerischen Siedlungsfläche. Gleichsam hatten die Farbabplatzungen an den Wänden und Verkrustungen auf dem alten Kellerboden sicherlich auch einen unbewussten Einfluss auf und in mein Werk – Arbeiten aus der Werkserie „BERGEn“ erinnern daran.

Als Künstler ist man eben doch immer auch Seismograph seiner Zeit und seines direkten Umfelds.“

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