Back to the Roots
Farnteppiche im Wohnzimmer, Moose und Wasserfälle im Bad, ein Regenwald in der Küche - als Trend taucht die Natur immer wieder auf in der Architektur. Woher kommt die scheinbar nie endende Sehnsucht nach dem „Draußen“ in den eigenen vier Wänden?
Der Großteil von uns lebt in der Stadt mit all dem Lärm, Stress und Druck. Selbst Pausen werden hier produktiv mit Social Media, Coffee to go und Ähnlichem gefüllt. Mal eben zu einem einsamen Entspannungsspaziergang in die saubere Natur und nicht in den überfüllten Stadtpark zu gehen, ist bei vielen eine tiefe Sehnsucht, die oftmals nur im Jahresurlaub befriedigt werden kann. Es liegt nahe, sich die Sehnsucht von einem erholsamen „Draußen“ nach drinnen zu holen, ungestört und in einer sicheren, sauberen Umgebung.
Als Interior Designer gestalten Sie Oberflächen, die das Muster ausgetrockneter Flussbetten haben, Sie lasieren Schlagmetall so, dass es wirkt wie das Innere eines Sees, Sie gestalten Böden, die an feinen Strandsand erinnern. Was inspiriert Sie, wenn Sie diese Werke schaffen?
In der Natur finde ich immer wieder Anregungen für meine Techniken und damit meine ich bewusst Anregungen! Es geht mir nicht darum, diese Eindrücke zu kopieren, denn es ist fast unmöglich die Echtheit dieser Farbenspiele, Texturen und Changierungen wiederzugeben. Der Versuch einer Kopie wird immer zum kunstmalerischen Akt, der es unheimlich schwer hat, dem Original gerecht zu werden. Durch den direkten Vergleich, der sofort in unserem Kopf stattfindet, wird – im besten Fall – vielleicht noch die Kunst und das Handwerk anerkannt, trotzdem bleibt vordergründig der Gedanke, dass sich da jemand richtig Mühe gemacht hat etwas nachzuempfinden. Viel spannender ist es doch, etwas zu kreieren, das den Betrachter überrascht, weil er nicht wirklich versteht was das für ein Material, eine Farbe oder Textur ist. Deshalb nehme ich zum Beispiel das ausgetrocknete Flussbett als Grundidee und verbinde es mit einer Goldbronze.
Wie übersetzen Sie Ihre Inspirationen in Designs für Räume?
Jedes Projekt hat seine eigene Geschichte, und die gilt es zu erzählen. Eine Grundidee entwickelt sich beim ersten Gespräch mit dem Kunden. Danach geht es darum, ob und in welchem Umfang sich die Vision realisieren lässt. Das Licht im Raum und die Architektur spielen eine große Rolle. Wenn alles festgelegt ist, entwickle ich das Design beziehungsweise die Oberflächengestaltung. Natürlich habe ich in all den Jahren ein gewisses Portfolio an Techniken und Designs, auf die ich zurückgreifen kann, aber wie gesagt, jedes Projekt ist einzigartig, weshalb jedes Design an die Gegebenheiten ergänzt oder neu entwickelt werden muss.
Wie wichtig ist die Haptik als Gestaltungselement?
Jeder kennt das! Was einen beim ersten Anblick überrascht und interessiert, möchte man mit den Händen ertasten. Vielleicht einfach nur, um es dadurch besser zu begreifen. Angucken und Anfassen gehören zusammen. Es juckt einen doch unter den Fingern, die Kunst im Museum auch mal zu berühren. Haptik ist elementar und gleichzeitig die größte Herausforderung bei Oberflächen, denn der Schutz der gestalteten Fläche darf den erarbeiteten Charakter nicht verändern. Wir haben ja schon so ziemlich alles berührt – deswegen reagieren wir so sensibel, wenn die Haptik nicht unseren Erwartungen entspricht. Die Gestaltung von Oberflächen ist daher eine große Herausforderung: Jede Oberfläche verändert sich, wenn eine Schutzversiegelung wie Wachs, Öl, Seife oder Lack aufgetragen wird – und dann steht man vor der Frage, ob sie nur zur Dekoration oder gegen äußere Einflüsse geschützt sein sollte, weil sie eine bestimmte Funktion erfüllen soll.
Wie lässt sich aus einem Bad ein Walderlebnis machen? Reicht es manchmal schon, einen imposanten Birkenstamm aufzustellen?
Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Einen einzelnen Birkenstamm sehe ich als dekoratives Element, das vor einem kontrastierenden Hintergrund sehr schön in Szene gesetzt werden kann, aber für ein Walderlebnis reicht das nicht aus. Eine Gruppe von Stämmen als Raumteiler, um die Toilette oder den Duschbereich vom Rest des Bades optisch zu trennen, unterstützt eher diesen Effekt. Wichtig ist es, nicht nur dieses eine Element zu verwenden. Das Thema muss weitergedacht werden. So sollten die Wand- und Deckenflächen entsprechend farbig oder mit Motivtapeten gestaltet werden. Die Stämme sollten nicht leidenschaftslos auf dem Fliesenboden stehen, sondern etwa aus Inseln aus Kunstrasen wachsen. Für mich ist entscheidend, dass man seinem Thema treu bleibt und keine themenfremde Dekoration in die Gesamtgestaltung einfließen lässt.
Wie muss ich schon bei der Planung vorgehen, um die Natur ins Bad zu bringen?
Wenn man auf die Planung Einfluss nehmen kann, wäre meine Empfehlung, eine Verbindung von innen nach außen zu schaffen. Raumhohe Fenster und ein aus der Wandabwicklung entstehender Pflanzbereich, der getrennt durch die Scheibe, sowohl innen als auch außen, vor der Scheibe begrünt werden kann.
Wie erkennen Sie, ob sich ein Bad für die Wald-Atmosphäre anbietet?
Natürlich kann man in jedem Raum eine Illusion erschaffen, aber ich brauche immer einen ehrlichen Bezug zum Thema. Pflanzen brauchen Licht, und ich finde nichts schrecklicher als Pflanzenlampen. Eine Wald-Atmosphäre in einem innenliegenden Bad ohne Fenster, da kommt keine Glaubhaftigkeit auf.
Welche Rolle spielt das „Erkennen“ des Kunden“ bei der Ideenfindung?
Das ist enorm wichtig, denn es geht ja nicht um mich! Der Kunde beauftragt mich nicht, damit ich mir ein Denkmal setze! Ich bin da, um den Kunden dabei zu unterstützen, seine Vorstellung, seinen Wunsch real werden zu lassen. Nicht selten kommt es vor, dass der Kunde ein Bild im Kopf hat, das aufgrund der Gegebenheiten niemals den gewünschten Effekt erzielen würden. Ich bin dafür verantwortlich, ihn darauf hinzuweisen und Alternativen zu entwickeln.
Ein plätschernder Bach, Vogelgezwitscher – es gibt viele Möglichkeiten der Soundkulissen, die sich über Smart Home ansteuern lassen und das Naturgefühl unterstreichen. Braucht ein Bad so etwas oder halten Sie das für überflüssig?
In der heutigen schnelllebigen, lauten Welt, haben viele das Bedürfnis, einen Ort der Ruhe zu finden. Unterstützende Klänge und Naturgeräusche zur Entspannung oder Meditation sind extrem hilfreich. Es gibt großartige, unsichtbare Soundsysteme, die in die Wand eingelassen und mit der Oberflächengestaltung überarbeitet werden können – gerade im direkten Nassbereich eine wunderbare Lösung.
Was fasziniert Sie an Materialien und Farben?
Die nahezu unendliche Vielfalt der Gestaltungsmöglichkeiten, um Objekt und Oberfläche zusammenzuführen, in seiner jeweiligen Wirkung zu unterstützen, einzurahmen oder durch einen bewussten Kontrast hervorzuheben. Ich habe jederzeit die Möglichkeit, neue Ideen zu erarbeiten, falls mein erster Gedanke doch nicht so ein Knall im All war.
Entdecken Sie immer wieder neue Materialien?
Ja, schon, wobei es meistens Zufallsfunde sind. Ich gehe nicht bewusst los und suche nach etwas Neuem. Meistens bin ich in einem Entwicklungsprozess und halte mich bewusst nicht an Herstellerhinweise oder Richtlinien in der Verarbeitung der Materialien. Genau dann entstehen Ergebnisse, die oft den Grundstein für neue Gestaltungen bilden.
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